Das erste Schuljahr

In den ersten Schulwochen beginnen sich die Kinder zu einer neuen Gemeinschaft zusammenzufinden, in welcher jede und jeder ihren bzw. seinen Platz findet. Damit eine gute Klassengemeinschaft entstehen kann, die die Entwicklung und das Wachstum jedes einzelnen Menschen zu fördern im Stande ist, sind gute Gewohnheiten und schöne gemeinsame Erlebnisse der Klasse ebenso wichtig, wie eine ausgeprägte gute Zusammenarbeit der Eltern und Lehrer in den verschiedenen Konstellationen.

Das Grundthema des zweiten Jahrsiebtes lautet, „Die Welt ist schön“, die sieben Jahre zuvor lautete es, „die Welt ist gut“. Mit dem zweiten Jahrsiebt wird in der Waldorfpädagogik die „Geburt“ des Lebenskräfteleibes (Ätherleibes) verbunden, also die zunehmende Eigenständigkeit im Bereich der Lebenskräfte. Diese waren zuvor vielfach vom Außen abhängig. Damit kommt der Pflege der Lebenskräfte auch in der Schule eine besondere Bedeutung zu. Beispielsweise findet daher im Hauptunterricht ein ausgeprägter rhythmischer Teil statt, gemeinsam wird gefrühstückt und es werden gute Gewohnheiten angelegt.

So sind die Lebenskräfte des Kindes auf der körperlichen (z. B. durch gesundes Essen, genügend Schlaf, rhythmischen Tagesablauf …), seelischen (was bekommt die Seele vorgesetzt?) und  geistigen Ebene zu stärken.

Klassenlehrerzeit bedeutet Lernen am Lehrer

Die Klassenlehrer*innen haben eine enge Beziehung zu den Schüler*innen und begleiten die Kinder im Idealfall von der ersten bis zur achten Klasse. In Zusammenarbeit mit den Fachlehrer*innen schaffen sie die Bedingungen, um Kindern entdeckendes Lernen und die Verknüpfung unterschiedlicher Wahrnehmungen zu ermöglichen.

Waldorflehrer*innen sind gefordert: neben der intensiven Betreuung der Kinder auch über den reinen Schulunterricht hinaus in Form von Familienbesuchen und Elterngesprächen verlangen die kollegiale Selbstverwaltung, die intensive Elternarbeit und zahlreiche außerplanmäßige Schulveranstaltungen einen besonderen Einsatz von den Lehrer*innen.

Ackerbau

Um das neunte Lebensjahr herum findet bei den Kindern ein großer Umbruch in ihrer Entwicklung statt. Waren sie bis jetzt noch seelisch eingebettet in das Gefühl, eins mit der Welt zu sein und in „paradiesischer“ Weise genährt, umsorgt und geleitet zu werden, ohne etwas dafür tun zu müssen, so ändert sich dies nun.

Der Lehrplan der Waldorfschule greift diesen Entwicklungsschritt der Kinder auf, indem er sie durch entsprechende Epochen, Tätigkeiten und Geschichten auf ihrem Weg in die Welt hinein begleitet. Das Ergreifen der Erde in all ihrer Vielfalt, vom Bearbeiten des Bodens über den Bau von Behausungen bis hin zum Kennenlernen elementarer Berufe, der Herstellung von Gebrauchsgegenständen, Werkzeugen und vielem anderen mehr, was zum Leben und zur Arbeitserleichterung dient, steht jetzt im Vordergrund der praktischen Tätigkeiten. Hier schließt auch die Ackerbauepoche an. Die Kinder erfahren zunächst einiges theoretisch durch die Erzählungen und Darstellungen des Lehrers, die so lebendig und befeuernd durchgeführt sein sollten, dass sie zu Erwartung und Schaffensdrang führen und es alle hinaus auf den Acker drängt, um selber tätig zu werden.

Denn was in der Ackerbauepoche durch das eigene Schaffen an Willens-, Gefühls- und Gedankenkräften angeregt wird, kann keine theoretische Darstellung alleine bewirken.

Tierkunde

Die Schüler*innen beurteilen mit zunehmender Selbstständigkeit – jedoch anders als es Erwachsenen möglich ist – nahezu ausschließlich aus der Empfindung heraus. Durch die große seelische Nähe zu Tieren einerseits und das gewachsenen Selbstbewusstsein andererseits können nun besonders gut wichtige Besonderheiten des Menschen und der Tierwelt betrachtet und behandelt werden. Demgemäß findet in der 4. Klasse nun die erste Menschen- und Tierkundeepoche statt.

Heimatkunde

Im vierten Schuljahr lernen die Schülerinnen ihre nähere Umwelt in einer Heimatkundeepoche kennen. Der Unterricht wird ergänzt durch Ausflüge zu geographischen und historischen Besonderheiten. Flusstäler werden durchwandert und, wenn möglich ihre Quellen aufgesucht. Kleinere Berge werden erstiegen, Kirchen, Schlösser und Museen werden besichtigt. Man lernt, wann und wie der eigene Wohnort entstanden ist. Man erfährt etwas über bedeutende Persönlichkeiten, die hier gelebt und gewirkt haben.

Da dies alles mit dem besonderen eigenen Wohnort bzw. Schulort zusammenhängt, muss der Lehrer den Inhalt dieser Epoche entsprechend ausarbeiten.

Hausbauepoche

In der Hausbauepoche geht es nicht mehr um das Sich-selber-ernähren-Können (Tiere, die sich bewusstseinsmäßig stets in einer Einheit mit ihrer Umwelt befinden, wie eben auch kleine Kinder vor dem Rubikon, bekommen ihre Nahrung gewissermaßen geschenkt; sie werden versorgt), sondern das Vertrauen zu stärken, dass wir Menschen nicht schutzlos den Elementen von Wind und Wetter ausgeliefert sind, wir uns wiederum dank unserer eigenen Arbeitskraft eine Hülle, einen Schutz schaffen können und konnten. Damit dies aber gelingt, müssen wir einerseits unsere vorausplanende Gedankenkraft nutzen, andererseits mit den anderen Menschen zusammenarbeiten. Hier wird wieder deutlich, dass wir nicht alles alleine tun können, sondern uns absprechen müssen und auch die Fähigkeiten jedes Einzelnen nutzen dürfen. Auch hier ist für die Kinder spürbar: Ich bin hier und kann dieses, du bist dort und kannst jenes. Ist das Haus standfest gebaut, die Ernährung und das Überleben gesichert, so können die Menschen mit Mut und Vertrauen hier auf der Erde wandeln, sich ihrer eigenen Schaffenskraft bewusst werdend.